Samstag, 22. März 2014

Das Dorf, die Sau und die Folgen

Ist dir schon mal aufgefallen, dass Busse stets in Schüben umfallen? Gefühlt dürfte das letzte große Busunglück schon etwas zurückliegen. Aber wenn der nächste Bus spektakulär umfällt, werden in der Folge viele weitere umfallen, bis die Umfallerei endlich wieder abebbt. Wie kann das sein?

Der Grund für eine erhöhte Unfallqoute ist nicht Glatteis im Sommer, sondern der Nachrichtenwert. Also: Ist das interessant, ja oder nein? Brackert ein Bus mit einer Schulklasse an Bord gegen einen Baum, dann ist eine Zeit lang jeder Busunfall ein Aufmacher. Nachrichtenagenturen und Redakteure wissen dann: Busunfälle haben Vorfahrt.

Bis das keiner mehr hören kann und eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird, wie das Verschwinden der kleinen Madeleine 2007. Alle, von der noch so kleinen Tageszeitung bis zum Spiegel, berichteten über jede Schmerzgrenze hinaus vom vermutlich verschwundenen Mädchen Madeleine.

Nun könnte man sich damit trösten, dass es offenbar zum Wesen der Massenmedien gehört, sich intensiv mit Vorfällen oder Produkten zu befassen. Es kann zwar nerven, insbesondere wenn man das Gefühl hat, etwa im Fall Maddie eine sich rapide entwickelnde Massenhysterie zu erleben. Aber so lange sich daraus keine ernsthaften Konsequenzen ergeben – was soll’s! Umblättern, umschalten oder wegklicken ist eine Lösung.

Aber so harmlos ist dieses selbstreferenzielle System nicht immer. Der Punkt ist: Diese Art der Berichterstattung bleibt nicht immer folgenlos. Eine prototypisches Beispiel hierfür ist die „Ölkrise 173“.
Damals gingen nach dem Jom-Kippur-Krieg einige Medien davon aus, dass schon bald das Rohöl knapp werden würde und riefen eine Ölkrise aus. Allerdings stützen sich diese Berichte auf Vermutungen, in Wahrheit war die Bundesrepublik von Lieferproblemen kaum betroffen.

Dumm nur, dass es die solchermaßen „informierten“ Bürger mit der Angst bekamen und nach Kräften Benzin und Heizöl hamsterten. Dies führte dann tatsächlich zu Lieferschwierigkeiten, da die Lagerbestände nur für normale, nicht für panische Nachfrage ausgelegt waren. Und siehe da, die angekündigte Ölkrise war plötzlich Wirklichkeit geworden. Radikalmaßnahmen wie das Sonntagsfahrverbot waren die Folge – ältere Semester erinnern sich noch an Fahrradtouren auf der Autobahn.

Fakt ist: Niemand wird diese selbstreferenzielle Funktionsweise der Massenmedien ändern können, im Internet-Zeitalter schon gar nicht, wo Twitter und Blogs jede Nachricht in Sekunden um den Globus verbreiten – auch wenn sie Unfug oder bewusst falsch ist. Und genau deswegen sollten wir uns genau diese Funktionsweise hin und wieder mal bewusst machen und nicht jeder Sau nachrennen, die durchs Dorf getrieben wird. Doch eins ist sicher: Das Benzin geht uns aus - irgendwann.

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