Was haben wir eigentlich früher gemacht? Früher, als Musik noch von
Kassetten und Schallplatten kam, als Telefone noch in der Wand
eingesteckt waren und Mails ausschließlich vom Postboten gebracht
wurden? Ich bin definitiv alt genug um es beantworten zu können: Wir
haben Telefonate außerhalb des bezahlbaren 50 Kilometer-Radius eher
knapp und ökonomisch geführt. In der Schulzeit hatte ich noch
Brieffreundinnen. Wann diese dann meine Briefe gelesen haben, sah ich
nicht wie auf Whatsapp über die hellgraue Stalking-Zeile „zuletzt
online“. Nach dem Abschicken vergingen nicht selten ein-zwei Wochen, bis
mir ein Antwortbrief mitteilte, wie meine Zeilen angekommen sind.
Manchmal habe ich auch ein Foto dazu gepackt, um zu zeigen was eben
gerade so los ist. Obwohl „gerade“ es nicht trifft. Das Foto wurde
fotografiert, der Film erst einmal zu Ende belichtet und dann
entwickelt.
E-Mails gab es nicht. Nicht nur auf dem Smartphone nicht, sondern gar
nicht. Und inzwischen sind E-Mails in der privaten Kommunikation schon
fast wieder out, ersetzt durch Whatsapp, Facebook und Co. Weltweite
Kommunikation in Fast-Echtzeit ist einfach geworden. Heute schreibe ich
ein paar Sätze einem Freund in Vietnam und sehe meist nach wenigen
Sekunden oder Minuten, dass er „online“ ist und gerade „schreibt…“.
Sofort kommt die Antwort. Ein bisschen Text-Ping-Pong, bis das
Gesprächsthema erledigt ist.
Beim Ausgehen ein Selfie-Gruppen-Foto, um meinen Followern zu zeigen
wie cool mein Leben ist – idealerweise viel cooler als ihr Leben. Wir
gieren nach Aufmerksamkeit und Anerkennung, weil es so leicht geworden
ist, sie zu bekommen. Deshalb auch lädt das leicht bekleidete
Teeniemädchen ein neues Spiegel-Selfie auf Instagram hoch. 54 „Gefällt
mir“ Angaben in 2 Stunden. Instant gratification. Du bist so toll.
Der Preis für diese neue Welt ist allerdings hoch.
Soziale Kontakte verlieren an Wert, werden zahlreich, austauschbar.
Wir müssen nicht mehr hinausgehen, um Gemeinschaft zu erleben, es genügt
ein Fingertipp, um in Kontakt zu treten. Auf Whatsapp werden Dutzende,
oft wertlose Bekanntschaften jongliert, ein „Hallo!“ hier, ein „na was
geht?“ dort.
Wir verlieren uns Recht auf Privatsphäre und unser Recht, auch
einfach mal nicht erreichbar zu sein. Wir sind nicht mehr ungestört. Die
Markierungen „gelesen“ und die permanente Indiskretion „zuletzt online“
machen uns zu Stalking-Opfern, freiwilligen Stalking-Opfern.
Aber ich will es auf keinen Fall ändern. Ich sehne mich nicht zurücknach diesem „Früher“.
Denn nichts ist geiler als ein Smartphone beim
Kacken.
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