Donnerstag, 18. Dezember 2014

Pegida und die Angst vor Islamisierung

Es gibt ja einen nicht uninteressanten Streit zwischen den Pegida-Anhängern und „den staatsgesteuerten, unfreien Medien“ darüber, wie hoch der Anteil der in Sachsen lebenden Muslime ist. Zwei Punkte sind der Ausgangspunkt der Debatte:
  1. Spiegel Online und Tagesschau sprechen von "weniger als 0,1 Prozent" Muslimen in Sachsen, was bei einer Bevölkerung von rund 4 Millionen Einwohnern etwa 4.000 Muslime wären.
  1. Die Stadt Leipzig spricht in einem online abrufbaren PDF allein für Leipzig von 9.000-10.000 Muslimen.
Link zum Beitrag































Das ist auf den ersten Blick sehr widersprüchlich. Aber da ich ja recherchieren gelernt habe, machte ich mich mal daran, das zu ergründen. Zunächst zeigt ein Faltblatt, dass Leipzig mit rund 5,5% in Sachsen die Stadt mit dem höchsten Ausländeranteil ist. Dresden liegt mit rund 4,2% Ausländeranteil an zweiter Stelle.

Aber der Blick auf die Nationalitäten der Ausländer zeigt deutlich, dass die Vermutung abwegig ist, es könne sich hier um eine „Islamisierung“ oder eine „Unterwanderung des Abendlandes durch Muselmänner“ handeln.

In Sachsen leben:
  • 8,4% Russen (die meist orthodoxen oder jüdischen Glaubens sind)
  • 8,0% Polen (unter denen auch keine Muslime sein dürften)
  • 3,7% Türken (jetzt kommen wir zum ersten Mal zu einer relevanten Gruppe, da nahezu 99 Prozent aller Türken Muslime sind)
  • Es folgen 3,6% Ungarn, 3,6% Tschechen, 2,5% Rumänen, 2,3% Italiener, 2,0% Griechen, 1,9% Bulgaren und 10,9% Sonstige aus der EU und 35,8% Sonstige aus nicht-EU-Ländern (Asien, Afrika, Amerika, Australien und Ozeanien).
Nun gibt es keine muslimischen EU-Länder, womit die 10,9 Prozent Sonstigen aus EU-Ländern auch nicht im Sinne der Pegidas relevant sind. Afrika hat im Schnitt etwa 44 Prozent Muslime. Asien hat rund 25 Prozent Muslime. USA, Südamerika, Mexico haben praktisch keine Muslime, Kanada rund 2 Prozent. Ozeanien ist mit insgesamt nur rund 16,5 Millionen Einwohnern in dieser Gruppe nicht relevant, zudem gehen von dort keine ausgeprägten Migrationsbewegungen aus.

Rechnen wir mal großzügig zusammen: 3,7 Prozent der Ausländer sind Türken und damit sicher Muslime. Wenn die 35,8 Prozent Ausländer aus nicht-EU-Ländern mehrheitlich aus Afrika und Asien stammen würden, sagen wir sehr großzügige 80 Prozent davon, und gehen wir weiter davon aus, dass davon 70 Prozent Afrikaner und 30 Prozent  Asiaten sind, ergibt sich ohne Türken ein Ausländeranteil mit muslimischem Hintergrund von 11 Prozent. Allerdings ist das schon fast fahrlässig gerechnet, da anzunehmen ist, dass vor allem Christen aus Afrika wegen Boko Haram auswandern und nicht die Muslime.

Insgesamt leben dann also - sehr großzügig geschätzt - 14,7 Prozent Muslime unter den Ausländern Sachsens; runden wir das mal großzügig auf plakative 15 Prozent auf.

Es leben in Sachsen rund 2,5 Prozent Ausländer. Davon sind maximal 15 Prozent Muslime. Das sind etwa 15.200 Muslime und entspricht einem Anteil von maximal 0,375 Prozent. Da ich aber äußerst großzügig gerechnet habe, könnten auch die 0,1 Prozent „der Medien“ durchaus richtig sein.

Nun zu der Zahl der Stadt Leipzig: In Leipzig leben etwa 25 Prozent aller Sachsen. Der Ausländeranteil liegt bei ca. 5,5 Prozent was rund 30.000 Ausländern entspricht. Wenn wie oben gerechnet davon maximal 15 Prozent Muslime sind, dann wären das 4.400 und keine 9.000-10.000. Dennoch kann es sein, dass die Zahl der Stadt Leipzig stimmt. Nämlich, wenn dort überproportional viele Muslime leben. Aber das kann ich leider nicht nachprüfen.

Fazit zu den Daten: Die "weniger als 0,1 Prozent" der Medien basieren auf einer Aussage des sächsischen Innenministers Markus Ulbig aus dem Jahr 2010. Wahrscheinlicher sind 0,2-0,3 Prozent. Die 9.000-10.000 der Stadt Leipzig können auch stimmen, scheinen mir aber sehr hoch geschätzt. 3.000-7.000 sind wahrscheinlicher. Der Vorwurf ist also haltlos, hier würde von den Medien unseriös mit Zahlen Stimmung gemacht. Aber ebenso befremdlich ist für mich, dass die Tagesschau und Spiegel Online die 0,1 Prozent so mir nichts, dir nichts übernehmen ohne die für den Streit so wichtige Zahl ernsthaft einer Prüfung zu unterziehen. Der Spiegel-Artikel wäre ja keinen Deut weniger stichhaltig, wenn dort 0,3 statt 0,1 Prozent stehen würde.

Mein persönliches Fazit: Wenn marginale 0,1 oder 0,37 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, ist die Angst vor „Islamisierung“ absolut unbegründet. Ich wohne in Stuttgart. Dort leben gut 10 Prozent Muslime. Und nein, ich fühle mich nicht überschwemmt von Muselmännern oder leide unter einer schleichenden Islamisierung. Ich leide unter Stuttgart-21-Gegnern die mich mit ihren Verkehrsblockaden etliche Stunden im Stau gekostet haben, Feinstaub, fehlenden Radwegen und schlechten Autofahrern. Anders gesagt: Luxusproblemen.

Eine Anmerkung zum Schluss: Wie schon gesagt, sehe ich selbst bei einem Anteil von 10 Prozent Muslimen keinerlei Problem oder Handlungsbedarf.  Mir geht es nur darum wenigstens einmal die Fakten beizubringen, die in diesem Zwist immer wieder unter die Räder kommen.

Update: Wenn man die Demonstranten mal einfach reden lässt, dann ist das sehr aufschlussreich. "Die bringen Bazillen mit" - und so weiter. Gerade vor dem Hintergrund der Fakten, ist das einigermaßen [...] (Link Kraftfuttermischwerk - Panorama)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen