Montag, 30. November 2015

Nolympia - warum haben die Hamburger etwas gegen Olympia in ihrer Stadt?

Der erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ist ein bisschen enttäuscht, dass ihm seine Bevölkerung die Gefolgschaft verweigert und seine Olympiabegeisterung nicht teilt. Und das ist eine noch vergleichsweise gemäßigte Äußerung aus dem Kreis der Enttäuschten. Dem Kreis djenigen, die Olympia als "Riesenchance" für den deutschen Sport, die Hansestadt und den Weltfrieden sahen.

Warum sagen die Hamburger "Nein" zu einem Event, das ihre Stadt noch internationaler, noch spektakulärer, noch infrastruktierter, noch berühmter gemacht hätte?

Hierzu gibt es Dutzende Antworten und ein paar davon treffen auf den ein oder anderen Nein-Sager zu. Zu teuer, ein zu großes Sicherheitsrisiko, noch mehr im Weg rumstehende Touristen in der Mönckebergstraße und noch mehr Stau. Oder auch - und das ist der wohl zentrale Punkt: Internationaler Spitzensport ist einfach nicht mehr das, was er mal war. Nur noch realitätsflüchtige Deppen und einige Sportfunktionäre glauben daran, dass der Spitzensport etwas mit Sport im ursprünglichen Sinn zu tun hat.

Mir fehlt ehrlich der Überblick über die Dopingskandale der letzten Zeit. Ich nehme die hin. Sie sind da und sie sind ärgerlich, aber mir persönlich tun sie nicht weh. Ich fahre ab und zu Fahrrad. Doch wie bei der Tour de France, die zu einer rasanten Leistungsschau internationaler Dopingkunst verkommen ist, wissen wir inzwischen, dass auch andere Sportler systematisch medikamentös ihre Gesundheit auf dem Altar der Hundertstelsekunden opfern.

Warum machen die Sportler das? Ich glaube ja: Weil sie es müssen, weil es politisch gewollt ist. Autoritäre Regime wie in Russland zwingen sie das zu tun. Weigern sie sich, fliegen sie aus den Spitzenkadern raus. In der ehemaligen DDR war es nicht anders. Aber was ist mit der "Achse des Guten"? Mit uns? "Wir müssten eigentlich nach der Tradition in beiden deutschen Staaten und nach unserer Wirtschaftskraft, mit der wir den Spitzensport fördern, mindestens ein Drittel mehr Medaillen bekommen, vielleicht mehr", sagte der für den Spitzensport zuständige CDU-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Ich finde, wir sind unter Niveau", sagte de Maizière, "und das sollte sich ändern.". Noch Fragen? Ich habe keine mehr.

Ein Mensch ist kein Computerprozessor, der mit jeder Generation leistungsstärker wird. Dennoch fallen immer wieder Bestmarken, werden Rekorde gebrochen. Mehr Beweis für die Transformation des Sports zu einem absurden Medikamentenwettlauf bedarf es eigentlich nicht.

Sport macht keinen Spaß mehr, wenn er professionell betrieben wird.

Aber das mag nicht für alle der Grund sein, ihrem Ersten Bürgermeister Olaf Scholz die Gefolgschaft zu verweigern. Denn wäre der Sport noch eine volksnahe Veranstaltung mit Volksfest-Charakter, hätte so mancher Hamburger vielleicht seine Bedenken wegen Finanzierbarkeit oder Sicherheit hinten angestellt.

Und abgesehen davon: Ich halte es auch für hochgradig unanständig, viele Milliarden von Euro in ein internationale Leistungsschau des Dopings zu investieren, während ein großer Teil der Welt hungert und nicht zur Schule gehen kann.

Ich habe heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit einen Beitrag gehört über ein 14-jähriges indisches Mädchen, das im Kohleberbau schuftet, weil ihre Familie sonst verhungert. Sie atmet giftigen Rauch und Staub, statt Schulklassengeruch. Würden man ihr nur 20-30 Euro im Monat geben, könnte sie zur Schule gehen.

Von einer Milliarde Euro könnten 4,1 Millionen Kinder ein Jahr lang in die Schule gehen, statt sich ihre Gesundheit zu ruinieren, bevor sie volljährig sind.

Die Olympiade in Hamburg hätte locker 12 Milliarden Euro gekostet. Eintrittspreise und Bratwürste nicht mitgerechnet. Mit so viel Geld könnten wir 50 Millionen Kindern ein Jahr Schulbildung spendieren. Aber das wird nicht passieren.

Menschen wie Olaf Scholz haben nur dann ihre Spendierhosen an, wenn sie das Geld in ihr Prestige investieren können. Elend verreckende Kinder in Entwicklungsländern sind ihnen kein Cent wert.

Und der Nächste der mir was von Wirtschaftsflüchtlingen und das Boot ist voll vorheult, bekommt auf die Fresse. Ohne Vorwarnung.



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